Auf geht’s in die Pampa! – zweites Abenteuer im Amazonasgebiet

Schon im Voraus wurde uns von allen Seiten erzählt, dass die Pampa etwas komplett anderes als der Dschungel sei, es mehr Vegetation gäbe und man ganz einfach Tiere sehen könnte. Was erwartet uns also?

Denn so ganz glaubte ich den Bolivianern ja nicht mit ihrer Aussage, dass wir mit Leichtigkeit viele verschiedene Tiere sehen werden. Denn typisch für Bolivianer ist es, dass sie entweder total übertreiben oder aber alles schön reden und locker sehen. Niemals hätte ich gedacht, dass sie wirklich recht haben, vielleicht sogar untertrieben haben..

Gleich nach Ankunft in der Kleinstadt Rurrenabaque ging es auch sofort wieder weiter. Leicht verfröstelt aus dem Boot alles ausgeladen, in einen Landrover umgepackt, so dass wir uns schnell auf der Straße Richtung Pampa befanden. So wie die meisten bolivianischen Straßen sind, hüpften wir in dem Landrover herum und der ein oder andere Kopf knallte gegen die Scheibe oder sonst wo hin – wie sehr ich diese Straßen vermissen werde.

Auch wenn es in Rurrenabaque schon unglaublich vielfältig bewachsen und in grünen oder bunten Farben erscheint, veränderte sich die Vegetation bereits nach einer Stunde Fahrt auf dem Weg: die Sträucher und Büsche wuchsen höher und mehr Blumen zeigten ihre Farbpracht zwischen den langen Graßhalmen im Wind wehend, während große Vögel am blauen Himmel ihre Runden drehten. Dieser traumhafte Anblick der Landschaft ließ Sucre wie eine trockene, gar traurige Wüste erscheinen. Da sind nämlich ein paar Bäume auf der Plaza das Naturhighlight! Des Weiteren merkte ich mal wieder, wie sehr mir solch ein Anblick fehlt und vor allem, wie sehr es mir fehlt mich in der Natur aufzuhalten.

Nach zwei Stunden ruckelnder Fahrt, einem platten Reifen und trockene, staubige Luft im Innern, stiegen wir aus dem Landrover heraus und befanden uns am ‚Hafen‘ zur Pampa. Von dort aus ging es von nun an nur noch im Boot oder zu Fuß weiter.

 

 

Also luden wir wieder alles in ein kleines langes Bötchen um, breiteten uns auf den Sitzen auf und waren schon sehr gespannt, was uns gleich erwartet. Im ersten Moment konnte ich meinen Augen nicht trauen, als der große, schuppige Körper eines Krokodiles am Flussufer erschien, reglos mit offenem Maul in der Sonne verweilte und seine spitzen, gefährlichen Zähne offenbarte.

 

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Sofort zückten wir natürlich auch unsere Kameras, um diesen Blick festzuhalten. Nach nur 20 Sekunden weiterem Getucker mit dem Boot, erblickten wir auf einmal noch welche, und noch welche, immer mehr.

Immer wieder kamen uns verschiedene, und scheinbar immer mehr Krokodile zu Gesicht – Ob sofort sichtbar am Flussufer, halb im Wasser liegend, hinter Büschen oder Sträuchern ‚versteckt‘, geschützt vor der Sonne oder aus dem Wasser auftauchend, lauernd mit ihren gelben Augen im Wasser.

 

Während wir beeindruckt und mit Respekt die gefährlichen Tiere beobachteten, bekamen wir auch interessante Vogelarten zu sehen: storchenähnliche Vögel, Rosafarbene oder welche mit einem ziemlich witzigen Haarbüschel auf dem Kopf. Beim Absprung hinterließen sie das Rascheln der Äste, wodurch sie die Aufmerksamkeit auf sich und ihr tolles Federkleid lenkten – blaue, gelbe oder feuerrote Federn die immer mal wieder zwischen den Blättern oder aufsteigend in den Himmel zu sehen waren.

 

Auch zahlreiche Schildkröten und Flusschweine kreuzten unsere Wege.

 

Ich selbst konnte in diesem Moment die ganze Situation nicht richtig wahrhaben bzw. nachvollziehen: In dem Dschungel sind wir drei Tage schweigend, wachsam und ausschauend nach Tieren durch den Wald geschlichen. Haben bei jedem noch so leisesten und unscheinbarsten Geräusch abrupt angehalten, um unsere Umgebung genau zu betrachten, zu beobachten. Auch wenn wir eigentlich nie ein Tier erblickt haben, waren wir aufgeregt und sind dann umso mehr vor Freude ‚durchgedreht‘, als wir die Affen, einen kleinen Vogel und das Krokodil im Piranhasee gesehen haben – das war die ‚ganze Ausbeute‘.

Und jetzt, nach nur 5 Minuten, gemütlich sitzend in dem Boot durch die Pampa haben wir schon mehr Tiere gesehen als in den gesamten 3 Tagen im Dschungel. Ausnahmsweise hatten die Bolivianer mit ihrer Aussage am Anfang mal wirklich recht..

Anfangs zählten wir noch die Krokodile, schreckten bei jedem Anblick wieder auf, deuteten hektisch und aufgeregt hin, um sie den anderen zu zeigen. Nach dem 25igsten oder 30igsten ließ diese Aufregung jedoch immer mehr nach: Wir ließen uns in die Stühle des Bootes fallen, genossen die Sonne, blickten uns um und nahmen den Anblick der zahlreichen Krokodile mittlerweile schon als normal wahr – wer hätte das gedacht? Wenn mir jemand gesagt hätte, dass ich irgendwann mal an hunderten von Krokodilen vorbeifahre, aber total entspannt und ruhig in einem Boot sitze und den Ungeheuern nur noch recht wenig Beachtung schenke – ich hätte das bestimmt keinem geglaubt.

In diesem Moment war dies aber wirklich der Fall, denn alle 4 Meter kamen neuen Krokodile: Kleine und Große, im Wasser, am Ufer, mit offenem Mund oder im Wasser treibend.

Während wir diese also nur noch mit Ruhe und Gelassenheit betrachteten, amüsierten wir uns ziemlich über unseren neuen Leiter, der das Boot auf seine Art und Weise lenkte. Er war zwar unglaublich nett, aber schien nicht gerade einer der Schlausten zu sein. Noch weniger hatten wir den Eindruck, dass er im Bootfahren und Lenken eine besondere Fähigkeit hat – so düsten wir gegen Bäume, blieben am Ufer stecken und brauchten 5 Minuten, bis er rückwärts wieder rausfuhr, fuhren mitten durch die schwimmenden ‚Wiesen‘ und fuhren nur selten elegant und gekonnt um eine Kurve – Demnach hatten wir immer eine sehr abwechslungsreiche und zum Teil turbulente, dennoch auch sehr amüsante Fahrt mit unserem Leiter.

Dennoch erreichten wir unser erstes Halteziel: Eine größere Fläche auf dem Fluss, wo eine neue Attraktion der Pampa auf uns wartete. Der Fluss ist nämlich nicht nur ein zu Hause für die zahlreichen Krokodile, verschiedene Fischarten, darunter auch Piranhas, sondern auch für Delfinen. Immer wieder lenkten sie die Aufmerksamkeit mit einem lauten Zischen beim Auftauchen auf sich und zeigten ihren grauen Körper aus dem braunen Wasser hervorkommen.

Wieder voller Aufregung ließen wir die Blicke über das ruhige Wasser treiben, um schnellstmöglich auf den nächsten auftauchenden Delfin zu deuten. Jedoch blieb es nicht nur bei dem Beobachten: Wir hatten auch die Möglichkeit mit den Delfinen zu schwimmen. Schon bei unserer Einfahrt an diese Stelle sahen wir Touristen im Wasser herumschwimmen. Bei diesem Anblick fragte ich mich, ob die eigentlich komplett verrückt und durchgeknallt sind. Denn nicht einmal 15m entfernt und am gegenüberliegenden Ufer starrten einen die Augen eines Krokodils an, lauerten, um alles im Blick zu haben.

Dennoch dauerte es nicht lange und ich musste mich selbst zu den Verrückten und Durchgeknallten zählen, als ich mich ins Wasser stürzte. So ganz wohl und sicher fühlte ich mich dabei aber ehrlich gesagt nicht gerade. 2 h lang haben wir über hundert Krokodile gesehen, von kleinen bis zu ausgewachsenen, die ihre tödlichen Zähne immer wieder demonstrierten. Dazu kam das Wissen, dass sich im gleichen Gewässer auch Piranhas befinden – eine noch bessere Kombination aus gefährlichen Tieren gibt es nur selten.

 

Und dennoch befand ich mich in diesem Gewässer und schwamm umher. Sobald mich etwas am Bein berührte zuckte ich immer wieder zusammen und strampelte wie wild um mich. Ich hatte ja keine Ahnung, was für ein Tier da gerade um meine Beine seine Runden dreht, da ich durch das braune Wasser komplett nichts sehen konnte. So schnell wie ich drinne war, war ich aber auch schon wieder draußen und beobachtete lieber von außerhalb noch die Restlichen, die vergeblich versuchten mit den Delfinen zu schwimmen. Sobald sie an der Stelle waren, an der die Delfine auftauchten und kleine Wellen im stillen Wasser hinterließen, verschwanden sich schon wieder und tauchten ganz woanders auf. Nach diesem kleinen Adrenalinkick war ich ziemlich froh wieder im ’sicheren‘ Boot zu sein und in Richtung unseres neuen Camps zu fahren.

Auf dem Weg dorthin bekamen wir nochmal einen anderen Einblick in die Tierwelt der Pampa: Von Weitem konnte ich nur kleine gelbliche Punkte in einem Baum umherhüpfen- und springen sehen. Diese stellten sich dann als viele kleine Äffchen heraus, die auch ihr zu Hause in den Bäumen am Fluss erwählten. Leicht zurückhaltend verharrten sie an ihrem Platz, blickten uns mit ihren dunklen Knopfaugen an, bis sie wieder wie gewohnt wie wild in den Bäumen umherkletterten. Außerdem verging die Schüchternheit auch sehr schnell, als sie die Bananen in unserem Boot vernahmen. Langsam stiegen sie auf das Rand des Bootes, um dann schnell unter den Stühlen zu den Bananen zu flitzen, sogar einige gekonnt ergatterten und dann ihre Beute sicher auf die Bäume zu bringen. Nun schauten sie uns nicht mehr ruhig und zurückhaltend, sondern mit mampfenden Mund an – wir hofften nur, dass das nicht unser Frühstück war.

 

 

Am frühen Nachmittag erreichten wir unser Camp, richteten uns in den Hütten ein und versicherten uns, dass nirgends in der Nähe Krokodile ihr Unwesen treiben.

 

Viel Zeit blieb uns jedoch erstmals nicht, denn gegen Abend fuhren wir an einen Aussichtspunkt, um von dort aus den Sonnenuntergang zu bewundern: Wie der Himmel Stück für Stück zuerst in sanfte rot- , gelb- und organtöne getaucht wurde, bis die Sonne als roter, leuchtender Feuerball am Horizont verschwand. Ich konnte meinen Blick keine Sekunde vom Horizont nehmen, da es einfach so traumhaft schön war. Mit dem Fluss im Vordergrund, den verwurzelten Bäumen am Ufer und der weite Blick in die Ferne, über große Wiesen, Pflanzen und Bäumen hinweg. Schon viel zu lange hatte ich nicht mehr solch einen Ausblick, oder überhaupt einen Sonnenuntergang miterlebt.

 

Als wir wieder zu unserem Camp zurückfuhren, war der Himmel immer noch in den verschiedensten Farben getaucht, aber wurde von der anstehenden Nacht immer dunkler. Als wir uns nur noch mit Taschenlampen zurechtfinden konnten, schwangen wir uns nochmals ins Boot, um den Tag mit einer Nachtfahrt abzuschließen. Langsam und mit leisem Motor fuhren wir auf dem Gewässer entlang – in völliger Dunkelheit und Stille. Ich ließ den Schein meiner Taschenlampe über die Wasseroberfläche gleiten und fragte mich, wie ich dort nur baden gehen konnte: Ein Lichtermeer offenbarte sich von rot leuchtenden, bedrohend wirkenden Augen im Wasser. Furchteinflößende Geräusche der Krokodile ertönten oder das Plätschern von Wasser, als sich eines hineinbegab. Von allen Seiten, an jeder Ecke und durch jedes Gebüsch hindurch offenbarten sich leuchtende Punkte – die Augen, reflektiert von unseren Taschenlampen. Um die ganze Situation auf uns Wirken zu lassen, schalteten wir den Motor, so wie auch unsere Taschenlampen ab. Sofort umgab uns Dunkelheit und Stille. Nun war nur der klare Himmel das Lichtermeer mit seinen hell leuchtenden Sternen über uns. Ruhig und mit geschlossenen Augen trieben wir auf dem Wasser umher, lauschte, vernahmen Geräusche und versuchten die zuzuordnen. Neben Grillengeräusche ertönten merkwürdige, tiefe Brummer oder das wilde Geschrei irgendwelcher Vögel. Das Rascheln von Ästen, wenn einer zum Flug absprang oder leise Geräusche aus dem Wasser. Einerseits war es beruhigend, so unscheinbar und still wie wir auf dem Wasser herumgetrieben sind. Dabei der Natur zu lauschen und die Tierwelt anhand der Geräusche wahrzunehmen. Andererseits aber auch mit der Vorstellung und dem Wissen, dass uns ständig lauernde Krokodile anstarren und neben unserem Boot umherschwimmen, beängstigend, gar erdrückend. Mit dem Blick in den Sternenhimmel konnte ich dieses Gefühl unterdrücken, ins Träumen verfallen und mich fast darin verlieren, so fesselnd wie dieser Anblick klaren, leuchtenden Sternenhimmels war. Auch am Steg zu unserem Camp erblickten wir die bedrohlichen Augen, um dann mit einem leicht unsicheren Gefühl ins Bett zu gehen.

 

Tag 2

Der Tag begann schon sehr früh für uns: Im Morgengrauen mit noch leichter Dunkelheit, Nebelschwaden über dem Fluss und fühlbarer Feuchtigkeit in der Luft stiegen wir müde ins Boot, um wieder von einem Aussichtspunkt den Sonnenaufgang zu betrachten. Dieser war für mich persönlich noch schöner – einfach traumhaft das Farbspiel des Himmels mitzuverfolgen.

Wie beim Sonnenuntergang erschien der Himmel in zahlreichen verschiedenen Farben: Von sanften lilatönen bis zu kräftigen und intensiven Geld- und Orangetönen. Dabei die Wolken, wie sie sich Stück für Stück von einander lösen, entfernen und immer mehr des Himmels preisgeben. Bei jedem Blick entdeckte ich neue Facetten und konnte es kaum erwarten, bis der intensiv leuchtende Sonnenball hinter den Bäumen emporstieg – in einem kräftigen Orange, Gelb oder fast Gold. Die Allgemeinsituation an sich, mit dem Fluss und den darauf treibenden Booten im Vordergrund und das plötzlich vermehrte Gezwitscher von Vögeln, die auch wie wir den herrlichen Tag begrüßten, war unglaublich schön.

 

 

Gleich nach dem Frühstück mussten wir erstmal einige Stiefel anprobieren, und zwar Gummistiefel. Leider sind mit der Zeit schon einige Paare verloren gegangen, so dass der rechte Stiefel passte und der linke in einer anderen Farbe viel zu groß war – was soll’s. Hauptsache irgendwelche Gummistiefel, um uns auf ins nächste Pampa – Erlebnis zu stürzen: Die Suche nach Anacondas.

Dazu fuhren wir mit dem Boot zu deren ‚zu Hause‘, um durch stinkenden Matsch bzw. kleinen Sümpfen zu stiefeln. Dabei hatte ich immer Angst stecken zu bleiben und entweder ohne Gummistiefel in die Pampe zu treten oder umzukippen und darin zu versinken.

 

Vor diesem überaus tollen Matschgang meinte unser Leiter, dass wir uns nicht bewegen und nach ihm rufen, falls wir auf einmal vor einer Anaconda oder einem Krokodil stehen sollten. Er würde dann sofort kommen, so dass nichts passiert – Auf diesem Boden ’schnell mal eben kommen und die Situation klären‘, erschien schon im Voraus als unmöglich. Ach, auf unseren Leiter ist aber doch immer Verlass.

So hoffte ich bei jedem Schritt nur, dass sich der Boden unter mir nicht wölbt, ich eine Bewegung spüre und auf einer Anaconda herumlaufe. Den ganzen Vormittag liefen wir in dieser Pampe herum, während so manche die Hoffnung hatten einen Blick auf das besagte Tier zu werfen.

Als wir nach 1 Stunde in praller Sonne immer noch erfolglos herumliefen, und es auch fast unmöglich erschien jemals auf diesem riesigen Gebiet ein Blick auf sie zu werfen, ließ die Lust und Motivation immer mehr nach. Ich persönlich war so wieso nicht ganz so wild drauf die Riesenschlange zu sehen.

Mit dem Hintergedanken dann wenigstens die ‚Erkundungstour‘ in der Natur zu genießen, hatte ich mich jedoch auch geirrt: Nur ziemlich schwer ließ es sich auf diesem Gebiet laufen, so dass ich die meiste Zeit in den Matsch starren musste, jede Auftrittstelle erstmal vortestete, um nicht doch noch auf den letzten paar Metern im stinkenden Schlamm unterzugehen und meine letzte Kleidung in Brauntöne färbte. Stetig begleitet von dem knartschendem Geräusch bei jedem Schritt, erreichten wir erfolglos mit unserer Suche das andere Ende des Anacondasgebiet. Ziemlich froh, dass diese Tour endlich vorbei war, ich selbst nicht mit Matsch voll war und auch keine Begegnung mit einer Anaconda hatte, begaben wir uns wieder auf den Rückweg ins Camp und genossen dort in der Sonne die tolle abenteuerliche Atmosphäre.

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Am späten Nachmittag verabschiedeten wir einen Teil der Gruppe, die schon eher wieder zurückflogen. Ich wollte jedoch noch einen Tag mehr von dem Abenteuer haben und auch die Urlaubsatmosphäre genießen. Sowir beendeten wir den Tag wieder mit dem traumhaften Anblick des Sonnenunterganges.

 

 

Tag 3

Am letzten Tag in der Pampa stand eigentlich nichts Neues an – ‚Nur‘ wieder eine nervliche Herausforderung, gar eine Mutprobe: ein weiteres Mal Schwimmen mit den Delfinen. Und wo befinden sich die Delfine? Natürlich im gleichen Gewässer wie die Krokodile, Piranhas und was weiß ich für andere gefährliche Tiere, die das Wasser freundlich und brüderlich teilen – Super!

Ein bisschen misstrauisch und gehemmt packte ich also meine Badesachen in den Rucksack, bevor wir wieder mit unserem kleinen Bötchen und dem sehr begabten Fahrer zur besagten Schwimmstelle fuhren. Unsicher hielt ich zuerst die ganze Zeit meine Füße ins Wasser, ließ sie darin baumeln und genoss die wärmenden Sonnenstrahlen in meinem Gesicht. Währenddessen zückte unser Leiter eine selbstgebaute ‚Angel‘, hang rohes Fleisch daran und schmiss es schwunghaft, im hohen Bogen ins Wasser. Es war zwar eigentlich schon offensichtlich was er vorhatte, dennoch fragte ich noch einmal nach und versicherte mich: Piranhas fischen – Klar, was denn auch sonst.

Das war natürlich sehr motivierend und beruhigte meine Nerven erheblich. Mit ängstlichem Blick begutachtete ich das Wasser um meine Füße, so wie auch die uns umgebenden Ufern, von denen mich mal wieder zahlreiche Augen anstarrten.

Die Zeit verging, während wir einfach nur auf unserem Boot saßen, die Delfine beobachteten und uns der Leiter stolz seinen Fang präsentierte.

 

Ein anderes Boot mit Touristen kam angefangen – wahrscheinlich mit der gleichen Absicht wie wir. Dennoch hatten alle auch die gleiche Reaktion wie wir: Erstmal abwarten, sich umsehen und lieber die Sonnenstrahlen ohne Stress genießen.

Ich weiß selbst nicht so genau, wieso ich mich dann doch plötzlich im Wasser befand. Nachdem ich mir wahrscheinlich dachte ‚Den zeigen wir es!‘ , sprang ich vom Boot und tauchte ins Wasser ab – Zwar war ziemlich viel Angst und Adrenalin vermischt, aber trotzdem war es ein tolles und erfrischendes Gefühl. Nach 5 Minuten im Wasser verging auch die Angst und Unsicherheit Stück für Stück. Denn hätten die Tiere böse Absichten gehabt, dann hätte ich diese schon längst gespürt. Immer wieder versuchten wir einen der Delfine zu berühren und schwammen so schnell wie wir könnten an die ‚Auftauchstellen‘, so dass wir die Zeit völlig vergaßen. Eine Stunde lang schwammen wir wie verrückt in dem ‚gefährlichen‘ Wasser herum, um vergeblich mit den Delfinen zu schwimmen. Dennoch war es ein tolles Erlebnis und eine tolle Erfahrung – Mutprobe bestanden!

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Nach dieser nervlichen Strapaze war nur noch Entspannung und die Rückfahrt nach Rurrenabaque angesagt. Noch ein letztes Mal mit dem Boot über den Fluss zischen, um dann mit dem Landrover wieder in die Kleinstadt zu fahren.

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Leicht erschöpft und mit tausenden neuen Bildern und Eindrücken im Kopf, fielen wir erschöpft ins Bett.

Am nächsten Tag begrüßten uns schon früh morgen die ersten Sonnenstrahlen und warmer Wind wehte uns durch die Haare. Perfekt für unseren heutigen Tagesplan: Zu einer kleinen Poollandschaft auf einem Mirador, dem Aussichtspunkt Rurrenabaque zu fahren. In traumhaft schöner Lage verbrachten wir dort den ganzen Vormittag, genossen die restliche Zeit unseres Urlaubs am Pool, bevor wir am nächsten Tag wieder in den Flieger steigen mussten. Mir graute es schon ziemlich vor der eisigen Kälte in El Alto..

Ab in den Dschungel! – La Selva de Bolivia

Nachdem wir den Camino de la Muerte herausgefordert und gemeistert hatten, war erstmal Entspannung und das Testen des Nachtlebens von La Paz angesagt.

So richtig entspannen konnte ich jedoch nicht, denn meine Reise war noch nicht beendet und das wohl Aufregendste erwartete mich erst noch: Der Dschungel und die Pampa im abgelegenden Rurrenabaque im Amazonas. Rurrenabaque ist eine Kleinstadt im tropischen Departamiento Beni. Mit einem großen Dschungelgebiet und der weit erstreckenden Pampa reich an Flora und Fauna, repräsentiert es die ganze Vielfalt und Pracht des bolivianischen Amazonasgebietes. Dementsprechend sehnsüchtig und ungeduldig blickte ich diesem Abschluss meiner Bolivien – Rundreise entgegen.

So abgelegen und versteckt wie das kleine Rurrenabaque im Urwald liegt, ist es entweder nur mit einer 14stündigen Busfahrt auf einem Schotterweg (nicht zu empfehlen) oder eben mit dem Flugzeug zu erreichen. Nicht nur des Komforts wegen, sondern auch um einen ganzen halben Tag der sonst andauernden Fahrt zu sparen, gönnten wir uns mal wieder einen Flug:

Von 4000m Höhe des kalten El Alto, umgeben von majestätisch wirkenden Andengipfeln und trockener Wind in den Haaren, auf plötzlich nur noch 229m in das grüne Flachland hinab. Dieser Flug, so wie schon der von Sucre nach Santa Cruz, war wieder ein wahres Erlebnis für sich – sogar noch um einiges spektakulärer. Von der Höhe von El Alto musste das Flugzeug gar nicht mehr erst hochsteigen, sondern offenbarte im Sinkflug Stück für Stück das sich ausbreitende grüne Paradies.

 

 

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Schon im Voraus wurden wir ‚vorgewarnt‘, dass der Flughafen dort nicht einem richtigen bzw. gewöhnlichen Flughafen gleicht. Was erwartet uns also?

Schon bei der Landung und dem Anblick des ‚Flughafengebäudes‘ wusste ich gleich, was damit gemeint war. Das Flugzeug war kurz vorm Absetzen auf dem Boden, doch unter mir war nur Dreck mit vereinzelten Grasbüscheln zu sehen – Wo war also die Landebahn, falls überhaupt vorhanden?

Im aller, aller letzten Moment kam, zur Erleichterung, dann doch noch eine zwar gewölbte und unebene, aber immerhin geteerte Landebahn zum Vorschein. So wie die Landebahn im aller letzten Moment unter dem Flugzeug erschien, kam das Flugzeug auch im aller letzten Moment zum Stillstand, bevor wir in die Natur gefahren wären – Typisch bolivianische Bauweise eben.

Noch mit mehreren dicken Jacken gegen die eisige Kälte in El Alto geschützt, hatte ich nun das Gefühl, innerhalb von 5 Minuten von der Hitze da hinzuschmelzen. Ich lief gegen eine gefühlte Wand aus schwüler,heißer und teils erdrückender Luft. Warmer Wind brachte eine ‚tropischen Duft‘ wie in der Yungas – Region daher und es dauerte nicht lange, bis uns schon die ersten kleinen Moskitos mit böser Absicht umzingelten.

In dem ‚Flughafengebäude‘, was einer kleinen Strohhütte ähnelte, suchten wir vergeblich die Gepäckausgabe. Im Nachhinein lustig, was wir uns dann doch von diesem Flughafen erhofften. Die Gepäckausgabe fand natürlich draußen statt, wo denn auch sonst. Auf einem Anhänger konnte sich jeder seine Rucksäcke und Koffer holen – Ein Vorteil hat diese Art ja schon: Man muss nicht ewig auf das Rollband starren und sehnsüchtig auf sein Gepäck warten.

 

 

Die Fahrt bis ins Zentrum von Rurrenabaque dauerte nicht lange an, so dass wir uns schnell nach einer passenden Tour informieren konnten und glücklicherweise auch gleich auf die Richtige stießen. Noch am gleichen Tag gegen Mittag brachen wir für den ersten Teil unseres Abenteuers auf: der Dschungel.

Mit einem kleinen Boot fuhr die ganze Truppe auf dem amazonasähnlichen Fluss entlang. Wie sich später auch herausstellte mündet dieser Fluss in den bekannten Amazonas (Also sagen wir einfach mal, dass wir auf dem Amazonas entlangsausten und Wellen ans Ufer schlugen)

 

 

Der Fluss an sich war mit dem braunen Wasser zwar nicht so ansehnlich, aber die Gesamtsituation war traumhaft. Von dem Boot aus konnten wir alle uns schon den ersten Eindruck vom Dschungel machen und unsere Tour mit Abenteuerbildern ausmalen. Wie uns der Urwald, die Palmen und bunten Pflanzen am Ufer eingrenzen und uns sonst jegliche Sicht versperrten. Die Sonne ließ alles in einer noch grüneren und kräftigeren Farbe erscheinen und die Strahlen zogen sich über den wolkenfreien, blauen Himmel hinweg. Zwischen den Palmen sah ich manchmal und wenn auch nur flüchtig die Dächer von Strohhäusern oder kleinen Aussichtstürmen aufblitzen.

Viele kleine Comunidades, Völker, leben noch heute mitten im Dschungel – ohne fließend Wasser und zum Teil ohne Elektrizität praktizieren sie somit noch die traditionelle Lebensweise. Bei einer solchen Comunidad machten wir Halt, um selber frischen Zuckerrohrsaft herzustellen. Dafür mussten wir natürlich erstmal die Zuckerrohre mit der Machete abhauen, um aus den Rohren dann mithilfe der Holzkonstruktion ‚Trapich‘ den Saft herauszupressen: Dazu wurden die Zuckerrohre immer wieder zwischen die drei Räder geklemmt, welche von den rennenden Personen gedreht wurde. Lautes Knarren und Knacken erfüllte den Dschungel, während wir mit Leichtigkeit rannten, die Räder drehten und zusehen konnten, wie der Saft in den Eimer floss. Diesen genossen wir im Nachhinein mit dem Saft frisch gepflückter Limetten in einer Kokosschale – traumhaft.

 

Schon dort konnten wir für uns seltsame Tiere beobachteten. Wie zum Beispiel Vögel, die wie einen Schnurrbart am Schnabel besitzen, dessen lange immer dünner werdenden Härchen im Wind daherfliegen. Dabei zeigten sie ein rot – schwarz gemustertes Federkleid, welches in der Sonne glänzte. Eidechsen und manche merkwürdigen Krabbelviecher kreuzten immer wieder unseren Weg. Wieder zurück zum Boot liefen wir an Grapefruitbäumen und tropischen Bäumen im Sand vorbei, balancierten uns auf dem schmalen Bötchen zu unseren Sitzplätzen und genossen die weitere Fahrt.

 

 

Da die Regenzeit vor einigen Monaten endete und deshalb an manchen Stellen zu wenig Wasser vorhanden war, mussten wir den restlichen Teil des Weges zu Fuß beschreiten. Mit all unserem Gepäck, zusätzlich noch den Essens- und Trinksachen beladen, liefen wir durch den Sand und über flache Flussabzweigungen hinweg bis zu unserem Camp. Dieses Camp versprach schon beim Anblick Abenteuer: Strohhütten mit Holzbrettern und Moskitonetze als Schlafplatz, die Toilette stellte entweder die Natur oder ein Plumpsklo da und die Küche war mit ein paar Tischen als Ablagefläche und einem tragbaren Gasherd gekennzeichnet. Fließendes Wasser? Eine Dusch? Elektrizität? Was für Ansprüche.. Immerhin sind wir mitten im Dschungel.

 

Die Dusche war daher eine sehr große, und braune in der Natur: der Fluss. Naja, aber besser als gar nichts. Denn bei der Hitze und enormen Luftfeuchtigkeit hatten wir mittlerweile alle das größte Bedürfnis, uns irgendwie zu erfrischen – also rein in die braune Brühe! Erst danach kam ich mal auf die Idee zu fragen, ob es denn gefährliche Tiere in dem Fluss gibt. Zur meiner Beruhigung meinte er, dass die Piranhas nur in stillen Gewässern sind, also zum Glück gerade nicht um unsere Füße umherschwimmen. Dann jedoch wies er auf eine sehr giftige Rochenart hin, so wie auch auf Schlangen, die hier ihr Unwesen treiben. Naja, dann war es aber auch schon zu spät..

Was ich in diesem Moment ganz interessant und auch amüsant fand, war, inwiefern eine bestimmte Situation die Perspektive verändert. Hätte ich dort ein Dusche oder wenigstens ein Waschbecken mit fließendem Wasser gehabt, hätte ich mich sofort nach dem Bad in der braunen Brühe mit was weiß ich für Viechern drinnen geduscht. In dieser Situation, mit den Umständen jedoch, stellte dieses Bad meine Dusche da, und ich war froh darum und fühlte mich frische, komischerweise auch sauberer.

 

Nachdem wir uns schon ein bisschen umgesehen, auf den uns umliegenden Urwald geblickt hatten, konnte ich es kaum erwarten, ihn endlich zu ‚erkunden‘, mehr zu sehen, zu erleben und zu lernen. In leichter Dämmerung machte sich ein Teil von uns auf zu einer Nachtwanderung. Als uns die untergehende Sonne noch ein bisschen Licht zum sehen schenkte, bekamen wir einige Heilpflanzen erklärt. Scheinbar an jeder Ecke des Regenwaldes gibt es eine Heilpflanze, mit einer anderen Wirkung – erstaunlich. Unser Leiter meinte, dass der Regenwald die beste Apotheke sei, die es gibt, und dazu noch die natürlichste und gesündeste.

Während sich die Dunkelheit in dem Urwald Stück für Stück weiter ausbreitete, nahmen auch die Tiergeräusche stetig zu. Kurz bevor wir unsere Taschenlampen zücken mussten, verweilten wir auf der Stelle, schlossen die Augen und öffneten unsere Sinne, unsere Achtsamkeit für die Umwelt: Von allen Seiten nahm ich Grillengeräusche in verschiedenen Tönen und Lautstärken wahr. Eine Vielzahl von Vögeln, die für mich ziemlich merkwürdige Geräusche von sich gaben: Von einem Geschreie bis hin zu tiefen Gebrumme oder ähnliche Geräusche eines Schluckaufs. Solch eine Vielfalt von Geräuschen prasselte auf mich ein, und erweckten zunehmend das Gefühl, dass sie immer lauter werden, näher kommen oder schon neben mir sind. Knackendes Holz oder das Rascheln von Blättern verstärkte dieses Gefühl. In meinem Kopf tauchten fantasievolle Bilder der Tiere auf, denn ich wusste ja nicht, was alles und gerade umgab.

Der Weg nur mit einer Taschenlampe als Lichtquelle stellte sich deutlich schwerer heraus: Durch Sträucher, merkwürdigen Pflanzen und Bäume hinweg, über dünne, rutschige Baumstämme kletternd, damit wir irgendwie über den grünen Tümpel herüberkommen. Unwissend was uns sonst in diesem Teich erwartet und begrüßt hätte, balancierten wir unsicher über den mit Moos bewachsenen, dünnen Baumstämmchen auf die andere Seite – zum Glück trocken und ohne neue Bekanntschaften.

Auf dem Weg erblickten hörten wir immer wieder Tiere, die in der Nacht erwachten. Dennoch sahen wir leider nur verschiedensten Spinnenarten. Von kleinen schwarzen bis zu großen, neonleuchtenden, angsteinflößenden Spinnen.

 

 

Nach dieser für mich einerseits sehr aufregenden, andererseits auch ziemlich beruhigenden nächtlichen Erkundung des Regenwaldes, folgte eine recht schlaflose Nacht auf einem Holzbrett, die auch so ein oder andere Moskitostiche mit sich brachte..

 

Tag 2

Dennoch war ich am nächsten Tag voller Elan und Energie, den Regenwald in all seiner Pracht am Tag zu erkunden, die merkwürdigen Pflanzen genauer zu betrachten, erklärt zu bekommen und vielleicht auch die ein oder anderen Tiere zu erhaschen.

Gleich nach dem Frühstück zogen wir uns für den Wald entsprechend an und machten uns auf den Weg. Über den Tag hörten wir zwar nicht so viele Tierlaute, aber dafür war die Natur, vor allem die Bäume spannend und interessant.

Bäume mit spitzen schwarzen Dornen, mit roten Wurzeln, mit Fächerwurzeln usw. kreuzten unsere Wege. Das für mich interessanteste und beeindruckendste war, dass jeder Baum in seinem Aufbau, mit seiner Umwelt im Zusammenspiel lebt und alles seinen Grund hat.

So ist zum Beispiel die Rinde nur von den jungen Bäume einer bestimmte Sorte mit spitzen, schwarzen Stacheln rundum besetzt – So dass sie wachsen und sich entfalten können. Erreichen sie eine bestimmte Größe, werfen sie ihre Stacheln ab, welche wiederum von den Ureinwohnern zur Jagd benutzt wird – denn die Stacheln eignen sich perfekt für deren Bambussspuckrohr.

Die Rinde einer andere Baumart, Papaya Macho, ist wiederum für dessen ganze Lebensdauer mit dicken, festen Dornen übersetzt, um seine Früchte zu schützen.

 

 

Recht oft stießen wir bei unserem ‚Weg‘ auf den‘ Palo diabolo‘ (der Teufelsbaum), in dessen Umkreis, keine andere Pflanze wächst. Den Namen verdankt er den Ameisen, die auf und in dem Baum leben. Sie beschützen ihn, während er ihnen ein ‚Zuhause‘ in Blätteraushöhlungen‘ oder dem Stamm bietet – somit ein Austausch, ein Zusammenspiel. Dabei ist der Baum für den Menschen als Medizin das Gegenteils seines eigentlichen Namens: Die Rinde soll scheinbar gegen Brechreiz und einigen Tumoren helfen,  während die Stiche der Ameisen gut gegen Rheuma sind.

An einem Baum machten wir alle automatisch von alleine Halt, da uns der außergewöhnliche, sehr intensive und eigene Geruch von Knoblauch in die Nase stieg. Wie konnte das sein, mitten im Dschungel ? Ja natürlich, wir standen direkt neben dem ‚Knoblauchbaum‘.

Dies demonstrierte uns unser Leiter dann nochmal, indem er mit seiner Machete ein Stückchen der Rinde abhaute und uns dieses unter die Nase hielt – unglaublich! Die knoblauchhaltige Rinde nutzten früher die Ureinwohner, wie wir heutzutage das Mückenspray, gegen die lästigen Moskitos. Also wieso nicht? So schnell konnte ich gar nicht gucken, und schon wurde an meinem Arm die Rinde gerieben. Scheint so, dass immer ich (wie auch in Peru mit der Farbe) das ‚Versuchskaninchen‘ der Leiter bin.

In einer Knoblauchwolke eingetaucht ging die Erkundungstour weiter. Zum Glück hatten wir alle nun den gleichen Duft an uns. Außerdem waren wir mitten im Wald, vom Tieren und Pflanzen umgeben und erwarteten niemand im Camp – also wieso nicht mit dem lieblichen Duft die ätzenden Moskitos fernhalten? Immerhin waren schon meine Fußknöchel rot und mit lauter kleinen Stichen übersät. Das Bein einer anderen Freiwilligen glich mittlerweile schon einer Mondlandschaft. Und das erst am zweiten Tag… Wir alle wollten uns erst gar nicht ausmalen, wie zerstochen wir wieder von dieser Tour zurückkehren werden.

 

Während wir mit dem tropischen, nicht sehr angenehmen Wetter durch den Urwald unseren Weg bahnten, erblickte ich immer mehr außergewöhnliche Pflanzen und Bäume. So wie der ‚Palo Caminando‘, ‚the walking tree‘ oder auf deutsch, der wandernde Baum.

Viele kleine Wurzeln, auch wieder mit Dornen oder Stacheln übersät, schießen in scheinbar alle Richtungen. Schon über der Erde zweigen sich die ganzen, zahlreichen Wurzeln vom Stamm ab, während an den nächsten Abzweigungen schon wieder neuer Wurzelansätze zu erkennen sind. Dadurch erhält er auch seinen Namen: Dank den vielen Wurzeln, kann er sich in eine bestimmte Richtung bewegen. Zwar handelt es sich pro Jahr ’nur‘ um 20cm, was dennoch eine erstaunliche Leistung für einen Baum ist.

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Welche Wurzeln mir auch sofort ins Auge stachen, waren die Blutroten des Acai – Baumes. Schon oft habe ich dessen Beeren überteuert in Natur-/ Ökomärkten gesehen, und jetzt stehe ich an deren Ursprung.

 

Je mehr ich erblickte, je mehr mir auch erklärt wurde, desto faszinierter, begeisterter und zugleich überraschter war ich von dem Regenwald.

 

Nach diesem Abtauchen und Erleben des Regenwaldes, ‚erfrischten‘ wir uns wieder in unserer großen Naturdusche, bevor wir des Rest des Vormittags mit nur Ausruhen und Genießen vertrieben.

Am späteren Nachmittag stand eine Wanderung durch den Regenwald zu einem anderen Camp an. Wieder trafen wir auf für uns unbekannte und merkwürdige Pflanzen, so wie auch Bäume. An zum Teil riesigen ‚Fächerwurzeln‘ eines Baumen, wo man sich mit Palmenblättern eine Hütte bauen kann, vorbei. Immer wieder nach Geräusche von Tieren am Boden oder hoch oben in den Baumkronen gelauscht und vergeblich versucht, einen längeren Blick auf sie zu erhaschen. Natürlich durfte auch das Lianenschwingen im Dschungel nicht fehlen. Die Liane fest umklammert, mit einem Sprung ordentlich Schwung holen, um auf die andere Seite zu kommen. Neben diesem Spaßfaktor enthielt der Weg natürlich auch mal wieder einige Herausforderungen. Bei denen fragte ich mich oft, ob das wirklich gerade deren Ernst ist oder sah mich schon verzweifelt im Wasser liegen..

 

Jedoch meisterten wir alle Hürden: Balancierten auf dünnen Stämmchen über einen Tümpel oder Bäche hinweg und mussten trotz schweren Rucksackes stets das Gleichgewicht halten. Unter oder über umgefallene Baumstämme hinwegspringen, oft dann auch ich Matschpfützen rein. Unsere Schuhe hatten mittlerweile schon alle eine Einheitsfarbe, so dass wir aufpassen mussten, sie nicht zu verwechseln.

So schlichen wir vorsichtig und schweigend in dem Regenwald mit tropischen Klima umher, um vielleicht doch noch Blicke auf Tiere zu erhaschen. Gegen Ende machte der Wald seinem Namen alle Ehren und wie aus dem nichts prallten schwere, große Wassertropfen von den Blättern ab und dann auf unsere Köpfe. Ich persönlich fand es eher recht angenehm – mal eine Abkühlung und die Moskitos bleiben von den ‚Wasserbomben‘ weg von mir. Unsere Schuhe waren ja auch schon mit Matsch und allem möglichen, was sich auf dem Weg befindet, übersät. Wahrscheinlich wurden sie durch den Regen sauberer als noch dreckiger durch den entstehenden ‚Matschweg‘.

Beim Anblick unseres Camps, welches wir nach ca. 3 Stunden schweigender Wanderung erreichten, war ich dann doch nicht mehr ganz so froh um den Regen. Unser Schlafplatz bestand nämlich aus zwei diagonal in die Erde gesteckten Ästen, auf denen die Plane vom einen Ast, über die andere gespannt wurde. Sehr vielversprechend sah die kommende Nacht also wieder nicht aus, vor allem nicht, als die Leiter meinten, dass es wahrscheinlich nicht mehr aufhört zu Regen – unvorstellbar welch eine Vorfreude ich bereit schon hatte.

 

Dieses sogenannte Camp war eigentlich nur ein kleines freies Fleckchen Erde innerhalb des Waldes mit ein paar gespannten Planen, um vielleicht einen kleinen Eindruck zu verleihen, dass sich auf diesem freien Fleckchen Erde ab und zu Menschen befinden. Dennoch befand es sich in einer sehr schönen Umgebung: direkt an unser Camp angrenzend befand sich ein großer See, dessen Wasser von dem mitlerweile ruhigerem Regen aufgewühlt wurde und Wasserringe auf der Oberfläche entstanden. Trotz des Regens waren wir drauf und dran in diesen See zu springen. Dies währe wohl diesmal fast eine Dusche gewesen, denn das Wasser schimmerte die braun, sondern blau bzw. vielmehr in einem schönen türkis. Zum Glück fragten wir erst noch einmal nach, ob sich dieses Gewässer zum Baden eignet. Lachend bekamen wir nur zu hören, dass dort eine gefährliche Piranha – Art haust und wir lieber wo anders baden gehen sollten. Ja klar, wie konnten wir daran nicht denken, an die Piranhas…

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So liefen wir in unseren Badeklamotten ein Stückchen durch den Wald, bis ich mit meinen Füßen in Sand versank und auf einen Fluss blickte. Am Sand-/ Kiesstrand entlanglaufend wehte zwar leicht kühler Wind entlang, dennoch überwanden wir uns und sprangen in die kalte Fluten.

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Lange hielten wir es jedoch nicht aus und schon befanden wir uns leicht ausgekühlt wieder in unserem tollen, sehr komfortablen Camp.

Eine Art Küche oder wenigstens ein Gasherd, ließ sich auch nirgends finden. Die Frage war nun mit was, und vor allem wie wollte unsere Köchin denn für uns kochen? Oder planten sie etwa eine richtige, lebensechte Erfahrung mit ein und wir müssen uns gleich noch irgendwo etwas zum Essen suchen? Zum Glück war auf unsere Köchin verlass.

Schon am ersten Tag bewunderten wir sie sehr, welch wirklich leckeres Essen sie unter all diesen Umständen für uns auf den Tisch zauberte. Dieses Mal übertraf sie doch die Erwartungen von uns allen: Unter einer anderen Plane geschützt vor dem Regen verbarg sich Feuerholz, mit dem sie erstmal ein schönes, aufwärmendes Feuer in der kommenden Dunkelheit entfachte. Wartend bis die Flammen erloschen und die Hitze nur noch von der Glut ausging, stellte sie ihre kleinen, schon verformten Töpfe darauf und bereite für uns erstmal leckeres Popcorn vor. Während wir nahe am Feuer saßen, in die immer sich veränderte Glut starrten, den vermehrten Tierlauten lauschten, genossen wir zusätzlich noch warmes Popcorn- Und das mitten im Dschungel.

 

Auch wenn der Regen immer noch mit dicken Tropfen auf die Blätter und unsere Planen prasselte, wir schwache Taschenlampen oder die Glut als Lichtquelle hatten, bewies sie dennoch all ihre Kochkünste und bereite uns unter diesen Umständen ein köstliches Abendessen zu. Anfangs war es zwar immer so ein ‚Vorkauen‘, um in der stockdusteren Nacht überhaupt zu wissen, was genau wir essen.

Die Leiter hatten zu unserem Bedauern recht mit ihrer Vorahnung und es regnete, und regnete und regnete..  Dadurch mussten wir nicht nur im Dreck, sondern auch im zum Teil Nassen schlafen. In diesem Moment stand mir meine Begeisterung wahrscheinlich mehr als deutlich ins Gesicht geschrieben. Jetzt im Nachhinein muss ich darüber ziemlich lachen und bin auch froh um diese ‚echte, wahrlich spürbare Regenwalderfahrung‘ – Wenn schon Regenwald, dann doch bitte richtig!

 

Tag 3

So wie ich mir die Nacht im Dreck und Nassen, ohne irgendwelchen Regen- oder Windschutz vorstellte, so war sie auch. Dazu kamen die ganzen Tiergeräusche, welche immer lauter und vielfältiger wurden. Knackende Äste oder lautes Rascheln der Blätter schien immer näher zu kommen – direkt neben oder über uns zu sein. Mit dem Wissen, dass wir schutzlos irgendwo herumliegen und ich immer mehrere und nahe Geräusche vernahm, konnte ich noch schlechter Einschlafen. Dementsprechend sah ich, so wie auch die anderen am Morgen aus..

Dennoch war auf unsere Köchin mal wieder verlass und munterte unsere Laune mit dem wohl besten Frühstück, dass man unter diesen Umständen an solch einem Ort haben kann, auf: Sonso (Brei aus Manioak/ Yuca vermischt mit Käse und in der Pfanne angebraten), gebratene Küchlein und einen Obstsalat genossen wir in der Frühe.

Beim Anblick des abgekochten, dennoch leicht dreckigen Wassers mit einigen Bröckchen darin herumschwimmend, ahnten wir schon gleich, von welchem Gewässer dies kam. Schnell kippte ich das Kaffeepulver hinzu und dachte mir, dass nicht jeder behaupten kann, jemals seinen Kaffee mit Piranha-Wasser zubereitet zu haben.

Dabei ließ ich meinen Blick über den See schweifen und beobachtete unseren Leiter beim Fischen der Piranhas. Dann wurde jedoch meine Aufmerksamkeit durch ein leicht aufregenden Ausruf auf eine bestimmte Stelle im See gelenkt: Auf einen im Wasser lauernden, wachsamen Kopf eines Krokodiles. Da ist es doch mal gut gewesen, dass es in der Nacht schon zu dunkel war um den direkt ans Camp angrenzenden See mit leuchtenden Augen darin zu begutachten.

 

Meine Gedanken und meine Aufmerksamkeit wurden plötzlich von einem lauten Rascheln in den Baumkronen über uns unterbrochen: Eine große Bande kleiner, hell gemusterten Affen sprang von einem Baum zum anderen, schwang sich über die Äste hinweg und folgte ihrem Weg tiefer in den Wald. Genau so schnell wie sie über unseren Köpfen umhersprangen und nur ein Rascheln hinterließen, so schnell war sie auch schon wieder verschwunden oder versteckt und getarnt mit den Bäumen. Glücklich, dass doch mal länger als 1-2Sekunden Tiere gesichtet haben, packten wir wieder alles zusammen und suchten uns einen anderen Weg zurück zu dem Hauptcamp. Wie schon auf dem Hinweg genoss ich auch wieder einfach nur schweigend, aufmerksam und mit geweckten Sinnen durch den Wald zu schleichen, um so viel wie möglich auf- und wahrzunehmen. Bewundernd lief ich an der Pflanzenvielfalt entlang und versuchte den Weg der Lianen nachzuvollziehen, welche sich kunstvoll von Ast zu Ast oder um einen Stamm schlängelten oder wie in einem Zopf ineinander verflochten sind.

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Gegen Nachmittag erreichten wir unser Camp und gleich nach Ankunft erwartete uns schon der nächste kleine Regenschauer. Diese Gelegenheit nutzen nicht nur wir, um unsere Hände endlich zu waschen (sogar mit Seife), sondern auch die köche, die das Wasser fürs Kochen in großen Töpfen oder Eimern auffingen.

Nach kurzer Erholung warf ich einen letzten Blick auf den faszinierenden und mich fesselnden Regenwald, bevor wir uns wieder mit unserem kleinen Bötchen zurück Richtung Rurrenabaque begaben.

 

Denn von dort aus erwartete uns gleich nach der Ankunft der zweite Teil des Abenteuers: Die Pampa.

Camino de la Muerte – Überlebt!

So kamen wir Nachts gut durchschüttelt wieder in Cochabamba an. Erschöpft und planlos irrten wir in den Straßen herum und unsere Suche nach einem Hostel blieb erstmals erfolglos. Ohne auch nur die geringste Ahnung zu haben, wo wir uns gerade in dieser großen Stadt befinden, war das Finden eines Hostels nur mit der Hilfe eines Taxis machbar. Ganz gleich wie teuer (in Euro wiederum billig) es war, nahmen wir das erstbeste, da wir uns einfach nur noch ausruhen wollten. Dank den Nachrichten merkte ich mal wieder, dass man in Bolivien, nichts, wenn nur sehr wenig, planen und realisieren kann. Denn durch die Abendmeldungen erfuhr ich, dass meine Reisepläne für Villa Tunari, auch Chapare genannt, das ‚Tor des Amazonas‘, gestrichen wurden. Die lieben Bolivianer meinten mal wieder, einen ordentlichen Bloqueo (Straßenblockade) nach Villa Tunari zu machen. Diesmal bestand auch keine Möglichkeit ihn zu Fuß zu überqueren, da der recht aggressive Bloqueo mit Tränengas und dem Anzünden von Autos demonstriert wurde – diese Erfahrung wollte ich dann doch nicht machen..

So musste ein Plan B her. Irgendeine spannende, aufregende und abenteuerliche Alternative. Der Camino de la Muerte in La Paz, die Death Road oder auf deutsch die Todesstraße genannt, kam da wie gerufen.. Da sorgt allein schon der Name für Aufregung genug, also wieso nicht?

Ein bisschen fitter als am Vortag fuhren wir das erste Mal über den Tag nach La Paz. Für mich macht Tag oder Nacht sowieso keinen Unterschied, da der scheinbare ‚Fluch der Flotas (Langstreckenbusse)‘ mich nie schlafen lässt. Diesmal konnte ich mir die Zeit dann wenigsten damit vertreiben, die traumhafte Berglandschaft zu bewundern und den Weg nachzuverfolgen. Da ist es Nachts manchmal praktischer, nicht ganz so viel von der ‚Straße ‚ mitzubekommen. Denn von dem Fenster aus in einen Abgrund zu blicken, ist nicht gerade sehr beruhigend oder verleiht ein sicheres Gefühl.

Dennoch war es ganz interessant zu sehen, auf welchem Wege ich mich schon so oft Nachts nichtsahnend begeben habe.

In La Paz angekommen, wurde ich gleich wieder an das eisige Klima erinnert: kalter Wind wehte mir in der kommenden Dunkelheit durch die Haare, so dass es sich nur mit einigen Wollsocken und Jacken aushielt. Zum Glück habe ich es wie auch immer geschafft, alle passenden Kleidungsstücke in meinen kleinen Rucksack zu stopfen. Dennoch war ich froh gleich am Abend endlich mal eine Waschmaschine in Anspruch zu nehmen.

Nach einem Tag Entspannung und mentaler Vorbereitung auf die Todesstraße im Zentrum La Paz, trafen wir uns schon früh am Morgen, um unsere Tagestour zu starten. Mit dem gemeinsamen Frühstück beruhigte ich ein bisschen meinen Nerven. Denn mit dem Gedanken, mich gleich auf die gefährlichste Straße der Welt zu begeben, stand ich nicht sonderlich entspannt auf.

Nicht umsonst heißt diese Straße ‚el Camino de la muerte‘ , auf der pro Jahr 30 Fahrzeuge verunglückten und 200 Menschen im tiefen Abgrund ihr Leben lassen.

Dennoch ließen wir uns nicht von diesen Fakten abschrecken und fuhren mit einem Bus zu dem Startpunkt unserer Tour: La Cumbre Pass, welcher auf 4650m liegt und von den schneebedeckten Anden umgeben ist. Klare kleine Seen, Windstille und Llamas in den trockenen Wiesen versprühen eine beruhigende und idyllische Atmosphäre. Während wir uns all die Arm-, Bein- und Knieschützer anlegten, stieg meine Aufregung, mit ihr natürlich auch die Angst. Immerhin wurde diesmal genügend Wert auf Sicherheit und Schutz gelegt – einerseits beruhigend, andererseits auch nicht, da es eher untypisch für Bolivien ist.

 

Viel Zeit zum weiteren Nachdenken oder Ausmalen der schlimmstmöglichen Situationen gab es nicht und schon schwangen wir uns auf die Fahrräder. Zum Glück konnten wir uns auf den Fahrrädern auf zuerst geteerter Straßen ein – und zurechtfinden. So düsten wir, entgegen meiner Vorstellung im Schneckentempo alles zu bewältigen, die Straße hinunter, spürten den Wind, die atmeten die erfrischende Luft ein und blickten auf eine unglaubliche Berglandschaft, die fast all meine Aufmerksamkeit auf sich zog.

 

 

So gut ausgebaut und mit ein paar Leitplanken hier und dort ist der Anfang der Straße jedoch noch nicht lange. An einer kurzen Pause sahen wir in den steilen Abgrund hinabblickend die verkohlten Überreste zweier Busse eines tragischen Unfalls – kein Einzelfall.

In der Pause konnte ich die atemberaubende Landschaft mal ein bisschen besser bewundern und nicht nur mit flüchtige Blicken erhaschen. Jedoch nicht lange, bevor wir wieder unser Abenteuer auf uns nahmen.

 

Schon in die Ferne blickend, so weit das während dem Fahren möglich war, konnte ich zwischen den kahlen und schneebedeckten Bergen grüne Flächen, bewachsen mit einem Urwald hindurchblitzen sehen. Denn diese 70km lange Straße verbindet das kalte, trockene Altiplano La Paz mit der tropischen ‚Yungas – Region‘ und überwindet ganze 3600 Höhenmetern.

Recht schnell verging die Zeit und schon erreichten wir den Beginn der ‚richtigen‘ Todesstraße. Auch hat sich mittlerweile das Klima und die Natur verändert: Nun war es fast schon zu warm in unserer ganzen Kleidung, während ich vor einer halben Stunde noch gefroren hatte. Anstatt auf schneebedeckten und grauen Felsen zu blicken, weitete sich ein tropischer Urwald vor meinen Augen aus und ein ganz eigener Pflanzengeruch stieg mir in die Nase, der ‚Yungasgeruch‘.

Das Schild, um den kommenden ‚Camino de la muerte‘ anzukündigen, hätten sie sich auch sparen können. Denn schon beim Anblick der vor einem liegenden ‚Straße‘ wird sofort klar, dass es jetzt ein bisschen aners abläuft, dass es schwieriger und gefährlicher wird. So hieß es ‚Tschüss‘ zur schönen geteerten Straße, ‚Hallo‘ zum holprigen, mit Steinen besetzten, erdigem Schotterweg. Bei diesem Anblick fragte ich mich, wie verrückt ich eigentlich bin. Eine breite Straße? genügend Leitplanken? Oder eine immerhin bisschen ausgebaute Straße? Das trifft auf die Death Road definitiv nicht zu. Ein paar leichtfertig besfestigte Leitplanken gibt es zwar, aber diese werden immer nur dann an den Stellen dort montiert, wenn Jemand verstorben ist. Ansonsten hat anscheinend keiner ein Auge für offensichtlich gefährliche Kurven oder Engpässen, welche direkt an den abfallenden Schluchten angrenzen.

Aber wie heißt es oft so schön ‚No Riks, no fun‘ und los ging’s!

 

Schon nach den ersten 10 Minuten fühlte ich mich so durchgerüttelt und geschüttelt, dass ich mich fragte, wie wir das noch 1-2 Stunden aushalten sollten. Sitzen fiel auch schwer, außer man hatte natürlich das Ziel mit einem von blauen Flecken übersäten Po wieder zurückzukehren. Mit einem ‚Training für die Oberschenkelmuskeln‘, redete ich mir die ganze Angelegenheit ein bisschen schöner.

Mal größere, mal kleinere Felsbrocken, matschige und rutschige Stellen oder leichtes fließendes Gewässer von Wasserfällen verteilten sich über dem Weg und vereinfachten die ganze Sache nicht gerade sehr. An zahlreichen Kreuzen oder Gedenkstätten vorbei, breitete sich ein komisches, bedrückendes Gefühl in mir aus. Dabei hatte ich stetig den steilen, abfallenden Abgrund von bis zu 700m im Blick, der sich direkt vom Straßenrand in die bewachsene Tiefe begibt.

 

Solch eine schöne, traumhafte Landschaft, welche sich in ihrer vielfältigen grünen Pracht präsentiert und sich mit farbenfrohen tropischen Pflanzen immer verändert. Gleichzeitig in diesem Moment so gefährlich und sogar tödlich.

 

Als uns Autos, Lkws oder Busse entgegenkamen, mussten wir eine der wichtigsten Regeln einhalten: Immer links, das heißt am Abgrund fahren oder lieber warten, bis der Weg wieder frei ist. Mit gefühltem jedem Meter wurde es noch grüner und vor allem noch wärmer.Irgendwann wurde es dann so heiß und schwül, dass wir nur noch im T-shirt und hochgekrempelter Hose den Weg fortsetzten.

Nach 3 Stunden aufregender und durchschüttelnder Fahrt mit manchen Schreckenssituationen, bei denen ich fast den Boden gegrüßt hätte, erreichten wir das Ende der Todesstraße. Nun befanden wir uns in den Tropen der Yungas-Region auf einer Höhe von nur noch 1200m.

Tropisches Wetter und der Anblick von dem mittlerweile noch durchwachseneren Urwald und Papaya – Palmen weckten die Vorfreude, auf den versprochenen Pool. Innerhalb von 3 Stunden haben wir 3600m überwunden und die gefährlichste Straße der Welt bewältigt – Zum Glück auch alle überlebt.

So kühlten wir uns erleichtert und überwältigt von den Eindrücken im erfrischenden Wasser ab, genossen das traumhafte Wetter und zumindest ich beruhigte meine Nerven von dem adrenalinreichen Trip.

Mit einem Buffet schlossen wir die Tour ab und machten uns mit dem Bus wieder zurück nach La Paz. Zum Glück fuhren wir einen anderen Weg entlang, eine asphaltierte Straße, so dass ich beruhigt und mit einem sicheren Gefühl die traumhafte, unglaublich vielfältige Landschaft noch genauer mitverfolgen konnte.

Wieder im kalten La Paz angekommen schossen mir all die Bilder und Eindrücke durch den Kopf, so dass ich gar nicht richtig begreifen konnte, was ich heute alles erlebt, vor allem gesehen und gefühlt habe. Unglaublich, die Todesstraße, die gefährlichste, aber auch die beeindruckendste Straße, welche ich nie vergessen werde.

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Gigantischer Canyon, versteinerte Dinosaurierspuren und das gefährliche Erkunden einer Tropfsteinhöhle – Toro Toro

In Cochabamba angekommen, fühlte ich mich nicht wieder wie in einem anderen Land, denn auch wenn die Landschaft nicht in ganz solch einer grüner Pracht erschien, ähnelte sie sich sehr. Das Klima ähnelte sich auch recht: Helle Sonnenstrahlen und blauer Himmel brachten angenehme, warme Luft mit sich. Die großen Hochhäuser oder moderne Anlagen im Stadtzentrum hatten zwar immer noch einen ‚Wow-Effekt‘, aber nicht mehr ganz so stark und mit keiner Irritation verbunden, so wie es in Santa Cruz der Fall war.

Auch dort schmückten Palmen und andere exotische Pflanzen die Plazas und luden mich ein, einfach nur dort zu sitzen, die Menschen zu beobachten und alles auf mich wirken zu lassen. Am Mittag traf ich auch schon die anderen Freiwilligen, mit denen ich die nächste kleine Reise plante.

Demnach hielten wir uns in der Stadt selbst gar nicht so lange auf, sondern machten uns noch am gleichen Tag abends auf den Weg nach Toro Toro – Zwar einer der kleinsten, dafür aber einer der schönsten und faszinierenden Naturparks in ganz Bolivien.

Wieder verfluchte ich während der Hinfahrt die Straßen Boliviens, die es unmöglich machen, länger als 10min die Augen geschlossen zu halten – ein Geruckel nach dem anderen, lässt einen immer wieder erwachen, schon fast aufschrecken.

Mit schnell genervter Stimmung fragte ich mich, wann diese Holperstraße denn endlich Mal ein Ende hat. Die Antwort hatte ich bei der Ankunft in Toro Toro: Nie, sie ist den ganzen Weg so. Den ganzen Weg, für den man 4-5h lang die Nerven auftreiben muss und lieber nicht müde sein sollte.

Erschöpft erreichten wir Nachts das kleine Dörfchen Toro Toro inmitten des Parkes, suchten uns ein günstiges Hostel, so dass ich endlich mal in den ersehnten Schlaf fallen konnte.

 

Tag 1

Früh morgens erfüllten schon die ersten Sonnenstrahlen den blauen, wolkenfreien Himmel und tauchten das kleine Dorf in warmes Licht. Mit Abenteuerlust und frischer Stärke machten wir uns früh morgens auf, um unseren Tag zu planen. Kurze Zeit später befanden wir uns schon auf dem Weg zu dem großen Canyon von Toro Toro.

In traumhafter Landschaft mit Blick auf die umliegende Bergkette, liefen wir Richtung Canyon. Die Bergkette sah wie immer so groß, majestätisch und unbezwingbar aus. Mit den davorliegenden spitz zulaufenden Steinplatten, die sich mit hellerer Farbmusterung von dem restlichen Grauem abheben. Aus flacher, mit Gras, Sträuchern und Bäumen bewachsener Ebene ragen sie in die Höhe und stellen ein bewundernswerten Anblick dar. Wegen Plattenverschiebung sind diese Sandplatten mit heller Farbmusterung in aufrechter Lage und erhalten ihre spitzzulaufende Form durch Flüsse, die sich ihren Weg zur Ebene suchen.

 

 

 

Durch ein vertrocknetes Flussbett bahnten wir uns den Weg zum Canyon hindurch, bis wir schon auf die erste Attraktion des Nationalparks stießen: versteinerte Dinosaurierspuren, die über 60 Millionen Jahre alt sind.

 

 

Nicht lange dauerte es, und wir erhaschten die erste atemberaubende Sicht auf den Canyon. An diesem Aussichtspunkt hätte ich Stunden verharren können: Mit dem Blick in die tiefe Schluchten des Canyons, die sich bis zu 300m in der Boden fressen und dort in einem kleinen Fluss mit leuchtendem blauen Wasser enden. Die Abhänge sind mit Rot-, Braun- und Grautönen verschieden gemustert, während die Sträucher grüne und lebhafte Kontrastpunkte zu den tiefen Schluchten darstellen. Kondore greisen im blauen Himmel herum und die aufgeregten Schreie von Papageien ertönen – traumhaft.

 

Leider konnten wir dort nicht Stunden verbleiben, da wir uns an den ‚Abstieg‘ in den Canyon hinein machen mussten. Bei diesem Abstieg stießen mir lauter Erinnerungen an meine Machu Picchu Tour in den Kopf, denn dieser bestand aus gefühlten tausend Treppenstufen. Wie sehr ich Treppenstufen doch lieben gelernt habe..

Mit dem besten Wetter in knaller Sonne stiegen wir diese hinab, bis wir uns durch große Steinbrocken durchschlängelten. Schnell raubten die tiefen Schluchten des Canyons die Sonne, wodurch wir mal eine kleine Auszeit der starken, prallenden Sonne auf einer Höhe von 3400m bekamen.

So liefen wir über große und kleine Steinbrocken hinweg und über Sand hinweg, bis wir schon von Weitem das Plätschern der kleinen Wasserfälle des Canyons hörten.

 

An einem wunderschönen Ort bei den Wasserfällen, an dem das Wasser an moosbewachsenen Felsen hinunter in einen kleinen See verlief, machten wir Halt. Die Wasserfälle, Steinplatten zum Hinlegen und Entspannen stellten die perfekte Möglichkeit zum Baden dar. Auch wenn das Wasser eiskalt war, machte ich mich sofort drauf und dran, um in dem kalten, erfrischenden Wasser die Atmosphäre noch mehr zu genießen. Ein Schauer des eiskalten Wassers lies mich alles noch klarer und intensiver wahrnehmen. Lange ließ es sich dort jedoch nicht aushalten.

 

Bis zum späten Nachmittag konnten wir das ‚Innere‘ des Canyons bewundern, bis wir uns mehr oder weniger unmotiviert wieder für den Rückweg aufrappelten. Denn mir graute es schon, da ich wusste, was uns bevorsteht: tolle Treppenstufen.

Weniger anstrengend als gedacht ließ ich nochmal alles auf mich wirken: Die Tiefe, der Canyon im Kontrast zur Landschaft, die Kondore die im mittlerweile rötlich – orangegefärbten ihre Runden drehten. Während wir uns wieder auf dem Rückweg befanden, konnten wir das tolle Farbspiel des Sonnenuntergangs auf der Cordillera beobachten: Jeder Moment, in dem ich mich umdrehte, um den Sonnenuntergang zu sehen, war anders. Die Farben veränderten sich, spiegelten sich anders auf den Steinplatten wieder, während langsam alles immer mehr von der kommenden Dunkelheit verschluckt wurde.

 

 

Tag 2

Am nächsten Tag stand ein andere Tour auf dem Tagesplan: Diesmal ging es zu einer Tropfsteinhöhle, zu interessanten Höhlenausbuchtungen, die ein Meer in die Felsen ausgehüllt hatte und zu weiteren versteinerten Dinosaurierspuren.

Zuerst fuhren wir mit dem Auto in der tollen Landschaft entlang. Dabei hatten wir immer Sicht auf die Bergkette, so wie auch auf den Abhang, der sich direkt neben der ‚Straße‘ steil hinunter zog. An einer großen Felslandschaft auf dem Berg ging der nächste Abschnitt zu Fuß weiter.

Dieser Weg entpuppte sich als eine kleine Kletterpartie, da es oft abrupt 10m in die Tiefe ging, wir trotzdem irgendwie einen Weg finden und fortsetzten mussten.

Lavagestein, die von einem 150km entfernten Vulkan dorthin geschleudert wurden, verteilten sich auf dieser Felslandschaft.

 

Auch erblickten wir Felsen, die mit der Zeit einer außergewöhnlicher Form angenommen haben und diese recht amüsant, aber zutreffend interpretiert wurde. So bekamen wir den r ‚Fischstein‘, der ‚Schildkrötenstein‘, der ‚Ameisenbärstein‘ oder der ‚Baumstein‘ zu Gesicht.

 

Über weitere interessante Formationen und Oberflächen hinweg, trafen wir auf die ersten Höhlen.

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Ein schon fast längst vergessenes Meer hat mit seinen Wellen diese Formen und Ausbuchtungen in die Felsen geschlagen, die nun heute zu bewundern sind. Weitere Abhänge hinunter und weitere schmale Spalten, durch die wir uns wortwörtlich durchquetschen mussten, standen wir auf einmal inmitten von noch größeren Höhlen. In einer wird sogar von manchen Einwohnern Hochzeiten zelebriert. Wenn die Braut da mit keinem zerfetzten Kleid ankommt – Respekt.

Kleine Plateaus mit Sträuchern und Wiesen stellen Aussichtspunkte auf die umliegende Umgebung dar. Erst dann wurde mir klar, dass ich mich dort befand, wo ich gestern und heute aus dem Auto so ‚ehrfürchtig‘ hingeblickt hatte.

Von meinem bisherigen Blick aus dem Auto kam ich mir so klein, winzig und machtlos vor und niemals in der Lage, solche Berge zu ‚bezwingen‘. Von einem der höchsten Punkte jedoch, kam ich mir auf einmal so groß vor, da ich höher als allen andere Umliegende war, alles aus meiner Umgebung beobachten und sehen konnte.

 

Für den Rückweg erklimmten wir eine Felswand und liefen dann auf recht ebenem Steinboden wieder zurück zum Auto. Der Boden ist mit versteinerten, zerissenen Schlamm überzogen, so dass ich den Eindruck hatte auf Schuppen eines gigantischen Tieres zu laufen. Vielleicht hatte ich da schon zu viel Sonne abbekommen oder/ und bin in die Mystik der Dinosaurier dieses Ortes abgetaucht..

Mit dem Auto fuhren wir dann weiter in die Nähe der besagten Tropfsteinhöhlen. Nicht lange dauerte es, und wir mussten den restlichen Teil wieder zu Fuß durchsetzen. Auf dem ganzen Weg trafen wir immer wieder auf versteinerte Dinosaurierspuren – Große, begleitet von Kleineren, dessen drei ‚Zehen‘ man ganz deutlich im Stein erkennen kann, zogen sich quer über unseren Weg herüber. Die Vorstellung, dass vor Millionen von Jahren genau an diesem Ort, an dem ich gerade bin, Dinosaurier gelebt haben, ist für mich nur schwer zu begreifen. Dabei sehe ich die Spuren direkt vor mir, und kann mir mit Bildern und Daten deren ursprüngliche Gestalt im Kopf ausmalen.

 

Nach diesem beeindruckenden und nur schwer zu begreifendem Abtauschen in die Vergangenheit, setzten wir unseren Weg wieder in strahlender Sonne und Hitze fort, bis wir mit Helmen gerüstet am Anfang der Tropfsteinhöhle standen und deren immer tiefer werdenden Dunkelheit blickten.

Hätte ich davor gewusst, was für eine Tour mich im Innern erwartet, bin ich mir nicht sicher, ob ich sie dann gewagt hätte.  Denn so wie Bolivien ist, stellt ein lockerer Plastikhelm mit einer leicht flackernden Lampe daran ‚Sicherung‘ genug dar.

Schon nach 5 Metern fragte ich mich, was genau ich hier eigentlich treibe: Vor uns befand sich ein Spalt, der höchstens 40cm hoch war und von dessen Decke spitze Steinzacken Richtung Boden ragen.

Der Boden wiederum war größtenteils besetzt von dreckigen Wasserpfützen, durch die unser Leiter gutgelaunt und voller Motivation hindurchkroch. Anfangs wusste keiner von uns so richtig, wie genau wir jetzt da durch sollten. Klar wäre durchrobben eine Möglichkeit.

Aber, ich zum Beispiel, hatte jetzt nicht gerade die Absicht mit zerrissener und ‚matschfarbiger‘ Kleidung aus der Höhle wieder herauszukommen. Das konnte ich mir auch gar nicht erlauben, denn seit Anfang des Monats mit nur einem kleinen Rucksack gerüstet zu sein, bedeutet Vorsicht und bedachte Nutzung der Kleidung. Immerhin dauert diese Reise noch bis Ende des Monats an und ich muss auf meine ‚Kalkulation‘ der Kleidung achten.

Mit dem Gedanken ‚Diese Hose darf bloß nicht dreckig werden‘, quetschte ich mich irgendwie, mit merkwürdigen Verrenkungen hindurch. Für die, die hinter mir waren, stellte das bestimmt ein sehr lustiger Anblick dar.

Anstatt gleich wieder aus diesem engen Spalt herauszukriechen und mich aufzustellen, musste ich erstmal eine Weile in nicht sehr bequemer Position dort verharren. Unwissend wieso die Vorderen so lange brauchen und denn nicht endlich vorangehen, musste ich also Wohl oder Übel erstmal so verweilen. Ich selbst sah noch gar nicht, was mich erwartet, aber ahnte nichts Gutes. Entgeisterte Ausrufe und Fragen, wie sie jetzt denn da runter kommen sollten, verhießen nichts Gutes.

Die Lösung für den kleinen Abhang im Weg: ein altes Seil, dass um einen kleinen Felsen im Spalt herumgewickelt wurde. Nach einander seilten wir uns also ab und konnten uns unten erstmal wieder aufrecht hinstellen.

 

In Dunkelheit, nur mit dem kleinem Lichtpunkt der Lampe an unserem Helm schritten wir weiter voran. Die Säulen von den Tropfsteinen neben uns, kleine und große reihten sich an den Seiten und an der Decke unseres Weges an.

Erleichtert, sich erstmal auf einen bisschen einfacher gestalteten Weg zu befinden, bewunderten wir das Innere der Höhle.

Jedoch mussten wir uns immer wieder entweder an Abhängen abseilen (natürlich im Bolivienstyle ohne Sicherung), versuchen herunterzuspringen oder eine andere Möglichkeit zu finden.

Dabei malten wir uns aus, wie so eine Tour in Deutschland ablaufen würde: Entweder sie würden erst keine Besucher so weit reinlassen oder alles wäre an jeder Ecke gesichert, beleuchtet und so verändert, dass man gemütlich durchlaufen könnte. Aber wo wäre da der Reiz?

Einer der Höhepunkte bzw. einer der Situationen, in der ich wirklich Angst hatte, ließ nicht lange auf sich warten: Nach dem Abseilen eines Felsvorsprunges befand ich mich auf einem dünnen Brettchen. Bis dahin noch alles schön und gut. Wartend bis die anderen endlich Mal voranschreiten, hörte ich nur ein amüsierendes ‚Natalie, guck mal runter‘. Wieso ich das dann auch immer tat, fiel mein Blick in schwarzes Nichts. So stand ich also auf dem dünnen, wackligen Brettchen mit dem Wissen, dass es unter mir was weiß ich wie viele Meter in die Tiefe geht. Das war natürlich sehr beruhigend.

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Nach dieser Situation hatte ich schon die Hoffnung, dass der schlimmste Teil vorüber ist. Aber nein, in Bolivien irre ich mich anscheinend immer und werde immer wieder aufs Neue überrascht. An einem kleinen Sandplateau blickten wir um uns: Felswende umgaben uns und wir sahen für uns keinen möglichen Weg weiter. Fragend sahen wir uns an, bis wir das Hinterteil unseres Leiters durch ein kleines Loch in der Wand durchquetschen und letztendlich verschwinden sahen.

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Nach diesem Anblick wechselte der fragende Blick, in einen zum Teil Entgeisterten und Verzweifelten. Aber was soll’s, jetzt gab es auch keinen Weg mehr zurück. Von dem her mussten wir Wohl oder Übel auch da durch.

Nach dieser Situation mit all den schon erlebten ‚Mutproben‘ des Weges, entgeisterte mich nichts mehr. Auch nicht noch ein weiterer enger Spalt, durch den wir durchkriechen mussten. Auch nicht als wir uns an Seilen, die an den Felsseiten befestigt waren, über ein weiteren Abgrund schlängeln mussten. Auch nicht, als wir merkten, dass diese Seile schon recht abgenutzt sind und ihre Faserung der Fäden deutlich zeigen.

An einem See innerhalb der Höhlen konnten wir uns von den bisherigen Strapazen ein bisschen erholen. Da waren erschreckende Ausrufe oder Kinderschreie anderer Gruppen nicht gerade sehr beruhigend. Um auf diese nicht all zu sehr zu achten, suchten wir in dem dunklen Wasser die einzigartigen besagten Blindfische, die dort als Einzige leben.

Nachdem wir wieder die benötigten Nerven hatten um unseren Weg fortzusetzen, erwartete uns das ‚Übliche‘ dieser Klettertour. Durch die ganze Aufregung hatte ich komplett das Zeitgefühl verloren. Ich glaube uns allen war nicht bewusst, dass wir uns mittlerweile schon 2h in der Höhle aufhielten. Nicht selten fragte ich mich, wann wir denn bald mal das Ende erreichen.

Zum Glück vernahmen wir schon kurze Zeit später einen kleinen Lichtschein. Mit jedem Hinwegziehen, – kriechen oder krabbeln über Felsens, wurde es ein Stückchen heller, bis uns helle, blendende Sonnenstrahlen durch die Felsöffnung entgegen kamen.

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Erleichtert und glücklich nahmen wir unsere Helme ab, schlugen in die Hände und lachten über das erlebte Abenteuer.

Und wer hätte es gedacht (Ich nicht), die einzige Hose von allen, die nicht dreckig wurde, war MEINE ! Da hat sich die zusätzliche Anstrengung und Ermahnung gelohnt !

Nach dieser wirklich nicht ungefährlichen, aber im Nachhinein einzigartigen Klettertour fuhren wir wieder erschöpft mit dem Auto zurück in das Dorf, dessen ruhige, verschlafene Atmosphäre uns gerade Recht kam.

Einerseits ungläubig, andererseits auch begeistert von dem heutigen Trip, fiel ich erschöpft ins Bett und sammelte erstmal wieder neue Nerven.

 

Tag 3

Am nächsten Tag planten wir nicht wieder eine organisierte Tour an einen neuen Ort, sondern wollten auf eigene Faust unsere Tour machen: Nochmal irgendwie zu dem Canyon gelangen.

Mit dem Wissen, dass es eigentlich nur erlaubt ist, mit einem Guide den Weg zum Canyon zu betreten und es daher Kontrollpunkte gibt, tüchtelten wir mehr oder weniger einen Plan aus, wie wir unbemerkt dorthin kommen. Denn den Weg und manche Orientierungspunkte blieben uns noch im Gedächtnis – was sollte also schon groß passieren? So sparen wir armen Reisenden das Geld für einen Guide 😀

Unsere ‚Hoffnung‘, wie es uns zu unserem Ziel verschlägt: Ein anderes Flussbett bzw. ein kleinerer, ausgetrockneter Canyon, der sich am Stadtrand von dem eigentlichen Weg in die passende Richtung abzweigt. Mit dem Plan, dass dieser in den großen Canyon führt und sich vielleicht von dort aus ein anderer Weg zu unserem Ziel offenbart, marschierten wir am Morgen los. Als ob nichts wäre schlenderten wir dort entlang und bekamen fragende Blicke von anderen zugeworfen, die noch ganz an Anfang Blicke auf uns erhaschten.

Nach einer Weile machten sich Zweifel auf, ob wir wirklich mit diesem ‚Weg‘ zum Canyon kommen. Bis jetzt schien es leider keinen anderen Weg zu geben, da wir von Steinwänden umgeben waren und es somit entweder vor, oder wieder zurück ging. Mehr oder Weniger hoffnungsvoll und mit einer kurzen Absicherung durch den Blick auf Google Maps liefen wir weiter.

Nach einer Weile lockerte sich glücklicherweise eine der Felswände ein bisschen auf, wodurch wir aus dem kleinem Canyon klettern konnten und auf einem dünnen Pfad landeten. Fußspuren im Sand verrieten uns, dass schon viele vor uns auf diese glorreiche Idee gekommen sind. Zum Glück merkten wir schnell, dass sich schräg über uns das ‚Kontrollhaus‘ befand. Halb geduckt liefen wir um das Häuschen herum. Danach befanden wir uns wieder auf einem kleinem Pfad, der direkt am Abhang eines anderen Canyon vorbeiführte. Wieder genoss ich die Aussicht, generell die ganze Atmosphäre und alle Eindrücke in vollen Zügen. Unwissend wo wir uns gerade genau befinden und wie weit es noch zum Canyon ist, liefen wir in der Hitze weiter.

Ein Aussichtspunkt verriet uns, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden und schon bald hatten wir wieder den gigantischen und beeindruckenden Canyon vor unseren Augen.

 

Leider konnten wir uns nie lange an einem Ort dort aufhalten, da ständig Gruppen mit Guides vorbeiliefen und uns verwundert anschauten.

Nicht selten wurden wir dann auch zur Rede gestellt, wo sich denn gerade unser Guide befindet. Mit den Ausreden dass er gerade auf Toilette sei oder, dass andere aus unserer Gruppe so langsam seien und wir nur auf sie warten würden, kamen wir drum herum. So weit, so gut.

Glücklich und grinsend, dass unser Plan aufging und wir umgerechnete GANZE 3 Euro dadurch gespart hatten, liefen wir mit einer Selbstverständlichkeit an dem Kontrollhäuschen vorbei, um auf der Straße nach Toro Toro zu landen. Dann ertönten die Geräusche eines Motorrads, welches von dem Häuschen in unsere Richtung fuhr. Nichtsahnend was uns jetzt erwartet, erloschen die Motorgeräusche direkt neben uns, der Mann stieg von seinem Motorrad und sah und misstrauisch an.

Ohne zu lügen, bzw. ohne nicht nur zu lügen, redeten wir uns mit dem Zeitdruck des Auscheckens aus unserem Hostel aus. Deswegen seien wir schon eher wieder zurück gelaufen, da die anderen aus unserer Gruppe so ewig bräuchten.

Ich hätte zwar gedacht, dass wir jetzt entlarvt wären, aber der Mann entschuldigte sich auf einmal dafür, dass er uns ‚belästigt‘ und nicht geglaubt hätte – der Arme. Unser Glück bzw. unsere Rettung war scheinbar ein Stempel des ersten Tages auf dem Ticket. Erleichtert dass es gerade nochmal gut ging, setzten wir unseren Weg mit schnellerem Schritt fort, so dass wir ‚ohne weiter aufzufallen‘ aus unserem Hostel pünktlich auschecken konnten.

Begeistert, fasziniert und glücklich von den Erlebnissen der letzten Tage setzten wir uns in den Bus, der uns wieder auf dieser wundervollen Straße, nicht holprigen Straße zurück nach Cochabamba brachte..